Kindergärten fühlen sich von der Politik im Stich gelassen

Kindergärten fühlen sich von der Politik im Stich gelassen
Der Personalmangel werde zu einem immer größeren Problem, warnt die St. Nikolausstiftung. Corona hat die Situation verschärft.

Darüber, wie über den Kindergarten derzeit auch auf politischer Ebene gesprochen wird, ist Elmar Walter erstaunt. Der Geschäftsführer der St. Nikolausstiftung, unter deren Dach die Pfarrkindergärten in Wien vereint sind, verfolgt die aktuellen Medienberichte: "Die Erwartungen an den Kindergarten sind groß, er muss offen sein, die Gruppen sollen nach über einem Jahr untereinander noch immer nicht gemischt werden, und es wird erwartet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geimpft sind bzw. wird sogar die Impfpflicht für das Personal gefordert.“

Es gebe zwar Erwartungen von Eltern und der Politik, doch wenig Unterstützung. Eltern seien es gewohnt, dass der Kindergarten immer bereitsteht. "Das ist auch gut so, da der Kindergarten die erste außerfamiliäre Bildungseinrichtung ist, die die meisten Kinder besuchen. Dass Kinder hier Geborgenheit, Verlässlichkeit, wiederkehrende Rituale etc. erleben und sie in ihrer individuellen Entwicklung begleitet werden, ist die Kernaufgabe des Kindergartens."

Das wolle man auch tun. Das Problem dabei: Es mangelt an Personal, was auch die Verantwortung der Politik sei.

 Zu wenige Pädagoginnen und Pädagogen

"Jahrelang wurde seitens der St. Nikolausstiftung bereits hingewiesen, dass es dazu kommen wird. Eine Hauptschuld tragen die jahrelang unveränderten Rahmenbedingungen, allen voran der Fachkraft-Kind-Schlüssel. Mehr Personal, d.h. mehr Pädagoginnen und Pädagogen, und kleinere Gruppen im Allgemeinen hätten die Pandemiezeit für alle Beteiligten – Eltern wie das Personal – wesentlich entspannt", stellt Walter fest: Bei kleineren Gruppen könne das Infektionsgeschehen besser und einfacher gehandhabt werden und mit mehr Personal wäre es auch möglich gewesen, im Notfall Teilgruppen weiterzuführen oder Sammelgruppen noch besser zu vermeiden.

Die gegenwärtige Personalsituation lasse dies aber nicht zu. "Das jahrelange Ignorieren des Pädagoginnen-Mangels und die fehlende finanzielle Investition in den Bereich Kindergarten seitens der politisch Verantwortlichen fällt uns nun auf den Kopf", ist Susanna Haas, pädagogische Leitung der St. Nikolausstiftung zunehmend verärgert. 

Übertragung im Kindergarten

Valide Zahlen zum Infektionsgeschehen sowie zur Übertragung in elementarpädagogischen Einrichtungen gibt es nach wie vor nicht. Hier nun wieder die Verantwortung an die Trägerorganisationen abzuschieben, sei zu einfach.

"So lange es keine verlässlichen Zahlen zum Infektionsgeschehen im Kindergarten gegenüber der Gesamtbevölkerung gibt, müssen alle Beteiligten die Verantwortung tragen. Kinder unter sechs Jahren werden nicht getestet und das birgt auch ein Risiko. Die Schulen sind einmal mehr im Distance Learning und der Kindergarten hat wie immer offen. In der Vorwoche hatten wir über die gesamte St. Nikolausstiftung mit 87 Standorten in Wien, eine Auslastung von über 70 Prozent", erklärt Elmar Walter die aktuelle Situation.

Geimpft

Rund zwei Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der St. Nikolausstiftung haben bereits die erste Impfung erhalten. Doch während der ersten Impfphase im März gab es viele Berichte über mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffes. Dass es hier bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu einer Verunsicherung kam, ist nachvollziehbar.

"Wir haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehrmals gebeten, die Impfung in Anspruch zu nehmen und weisen sie auch laufend auf die Nachmeldemöglichkeiten hin. Nichtsdestotrotz sehen wir hier auch die Verantwortung der politisch handelnden Personen, die Vorteile der Impfung medial entsprechend zu kommunizieren", nimmt Walter die Politik in die Pflicht.

Und er macht klar: "Der Kindergarten – und damit in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wird weiterhin in dieser Pandemie für Kinder und Eltern da sein. Die Versäumnisse der letzten Jahre sowie die Lehren, auch aus der Pandemie, müssen nun angepackt und in Angriff genommen werden."

Der Weg zu mehr Personal:

Elmar Walter nennt drei Strategien, die jetzt nötig sind, um den Kindergarten als Arbeitsort attraktiv zu machen:

  • Eine Ausbildungsoffensive, um dem Pädagogen-Mangel entgegenzuwirken.
  • Kleinere Gruppen, damit jedes Kind in seiner individuellen Entwicklung begleitet werden kann.
  • Österreichweit einheitliche und verbesserte Rahmenbedingungen

Die St. Nikolausstiftung Erzdiözese Wien ist eine innovative Trägerorganisation mit rund 90 Kindergärten und Horten. Sie beschäftigt über 1.150 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und bildet bzw. betreut circa 6.350 Kinder.

Die Standorte sind in allen Wiener Bezirken vertreten. 

Kommentare