Große Mehrheit der Österreicher für Liberalisierung der Sterbehilfe

Sterbehilfe - Intensivstation
Acht von zehn Österreichern begrüßen in Umfrage VfGH-Urteil. Jeder Zweite würde Sterbehilfe in Anspruch nehmen.

Eine große Mehrheit der Bevölkerung ist für einen liberaleren Umgang mit der Sterbehilfe. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INTEGRAL finden acht von zehn Österreichern und Österreicherinnen das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zum assistierten Suizid gut. Etwa ein Drittel (32 Prozent) denkt, dass die Entscheidung noch zu wenig weit geht, knapp jeder Zweite kann sich vorstellen, einmal selbst Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

Sterbehilfe selber in Anspruch nehmen

In Auftrag gegeben wurde die Umfrage von der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL), die sich für eine liberalere Gesetzeslage zur Sterbehilfe einsetzt. Befragt wurden Mitte März 1.000 Österreicher und Österreicherinnen von 16 bis 69 Jahren. Hintergrund ist das VfGH-Urteil vom Dezember 2020, das die Strafbarkeit der Beihilfe zum Selbstmord gekippt hat. In den kommenden Wochen soll es im Justizministerium dazu umfangreiche Gespräche geben.

VfGH-Entscheidung zu Sterbehilfe

Laut der Umfrage begrüßen 80 Prozent die VfGH-Entscheidung, die dazu führt, dass ab 1. Jänner 2022 die Beihilfe zum Selbstmord generell erlaubt ist. Laut INTEGRAL ist diese klare Zustimmung über das ganze Bundesgebiet in allen Bildungs-, Einkommensschichten und Altersgruppen annähernd gleich hoch. 32 Prozent der Befragten wünschen sich außerdem eine rechtliche Möglichkeit, eine Vorab-Sterbeverfügung anzuordnen, insbesondere für den Fall von Krankheiten wie Demenz und Alzheimer.

23 Prozent für aktive Sterbehilfe

Rund ein Viertel der Österreicher (23 Prozent) meint außerdem, dass auch aktive Sterbehilfe erlaubt sein sollte. Nur neun Prozent möchten hingegen am alten Verbot der Sterbehilfe aus dem Jahre 1934 festhalten. Eine Minderheit von elf Prozent wünscht sich ein neues Gesetz, das Sterbehilfe wieder erschwert - auch auf die Gefahr hin, dass dieses Gesetz wieder verfassungswidrig sein könnte. Hingegen verlangen 53 Prozent, dass das Parlament ein neues Gesetz verabschiedet, welches das Recht auf Sterbehilfe stärkt. In Wien sind es sogar 63 Prozent.

Wenn es um die Frage geht, wer Sterbehilfe leisten soll, sehen zwei Drittel der Befragten das in der Hand der Ärzte und Ärztinnen. 57 Prozent finden, dass dies professionelle Vereine in Zusammenarbeit mit Medizinern und Medizinerinnen übernehmen sollen. Und 27 Prozent meinen, dass auch Angehörige und Freunde dazu befugt sein sollen.

Fast jede zweite befragte Person (47 Prozent) kann sich vorstellen, einmal selbst Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Am wenigsten vorstellbar ist das naturgemäß für die Gruppe der unter 30-jährigen, wobei sich auch diese Menschen zu 40 Prozent für die Möglichkeit der Sterbehilfe in ihrem späteren Leben aussprechen. Ein Drittel (32 Prozent) der Österreicher und Österreicherinnen sind sich bei dieser Frage unschlüssig.

Die Gesellschaft für ein humanes Lebensende sieht ihre Standpunkte in der Umfrage bestätigt. "Es geht jetzt nicht mehr um Pro und Contra, sondern darum, wie die Politik diesem Wunsch schnellstmöglich entspricht. Sterbehilfe muss ab 2022 für alle Betroffenen ohne Hürden und ohne Bevormundung möglich sein", kommentierte Wolfgang Obermüller von der ÖGHL im Gespräch mit der APA das Ergebnis.

Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker appelliert auch anlässlich der Umfrage an die Regierung, das Gesetz zu Sterbehilfe auf den Weg zu bringen. Der VfGH hat dem Gesetzgeber bis 31.12.2021 Zeit gegeben, um einen Entwurf zu präsentieren - "passiert ist bisher allerdings nichts“, so Loacker . "Das VfGH-Urteil hat die Richtung vorgegeben, jetzt muss die Parlamentsmehrheit handeln. Die Bürgerinnen und Bürger haben kundgetan, was sie sich vorstellen können. Zuwarten und Wegschauen sind keine Lösungsschritte“

 

Auch für den Tiroler SPÖ-Vorsitzenden Georg Dornauer zeigt das Ergebnis der Umfrage, „dass endlich die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.“ Die Österreicher hätten hier offenkundig eine klare Haltung. „Deshalb brauchen wir aus meiner Sicht auch kein schlagseitig besetztes Dialogforum, um weiterhin eine scheinheilige Debatte zu führen“, meinte Dornauer gegenüber der APA. Die Justizministerin müsse endlich die gesetzliche Grundlage erarbeiten und rasch vorlegen. Dornauer spricht sich dafür aus, „dass der unterstützte Suizid auch in Österreich kein Tabu mehr sein darf und eine rechtliche Absicherung dafür geschaffen werden muss.“

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