Das Prozedere bei gesamtösterreichischen Corona-Gipfeltreffen ist das bekannte. Zunächst wird mit Experten konferiert, dann werden die Oppositionschefs zugeschaltet und schließlich sind die Landeshauptleute im Kanzleramt zu Gast. Vermutlich kein Thema sein wird ein bundesweiter Lockdown, vor allem die Kanzlerpartei setzt derzeit vor allem auf regionale Maßnahmen.

Beraten wird dabei auch, inwieweit die östlichen Bundesländer, die zunehmend Probleme auf den Intensivstationen bekommen, unterstützt werden können. Angedacht ist Hilfe aus den benachbarten Ländern Steiermark und Oberösterreich, aber auch aus Kärnten. Analysiert werden soll bei dem Treffen auch der Impffortschritt.

Größere Restriktionen gelten in der "Osterruhe" nur in der Ostregion. Maßnahmen wie Schließung des Handels und der persönlichen Dienstleister sowie Distance Learning werden zumindest die kommende Woche weitergeführt. In den anderen Ländern gab es zuletzt kaum Bereitschaft, Lockdowns durchzuführen. Allerdings prognostiziert die Ampel-Kommission auch außerhalb der Ost-Region einen weiteren Anstieg der Zahlen. Speziell in Oberösterreich könnte es auf den Intensivstationen wie im Osten zu Problemen kommen.

Anschober bremst bei Sputnik

Sollte der avisierte russische Impfstoff Sputnik V im Kampf gegen Covid-19 zur Verfügung stehen - im Fall einer Bestellung könnten laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bis Anfang Juni eine Million Dosen geliefert werden -, stellte sich die Frage, ob für die Verimpfung die Zulassung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) abgewartet wird oder eine nationale Zulassung möglich wäre. Diese Frage sei derzeit nicht klar beantwortbar, hieß es aus dem Gesundheitsministerium.

Entscheidend sei in jedem Fall eine umfassende Qualitätssicherung, die gewährleistet sein muss, bevor ein Impfstoff verabreicht wird, wurde am Freitag im Gesundheitsministerium betont. "Die Wirksamkeit und Sicherheit muss belegt sein. Dabei müssen die Dokumentation der Patientensicherheit und die Wirksamkeit des Impfstoffes klar nachgewiesen werden", stellte ein Sprecher fest. Erste Daten zu Qualität und Wirksamkeit seien übermittelt worden und würden nun von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf ihre Vollständigkeit geprüft. Der weitere Zeitplan hänge maßgeblich vom Zeitpunkt ab, an dem die wesentlichen Qualitätsdaten vorhanden sind.

"Aktuell ist dies noch nicht der Fall", bemerkte der Sprecher. Für das Gesundheitsministerium sei die Grundvoraussetzung für das Inverkehrbringen eines jeden Impfstoffes bzw. Arzneimittels die ausreichende Dokumentation von Wirksamkeit und Sicherheit.

Der Informationsaustausch zwischen Österreich und dem russischen Hersteller wurde auf Initiative des Bundeskanzleramts gestartet, das Gesundheitsministerium war - unterstützt durch die AGES - in die Gespräche eingebunden. Auf fachlicher Ebene findet zusätzlich ein Austausch zwischen AGES und dem Hersteller statt, auch das Nationale Impfgremium wird eingebunden.

Kauf schon jetzt möglich

Zur Frage, ob der Impfstoff jetzt schon gekauft werden sollte, steht das Gesundheitsministerium auf dem Standpunkt, dass sich in Krisenzeiten eine Sicherung eines Impfstoffes und zeitgleich die parallele Prüfung des Impfstoffes nicht widersprechen. "Entscheidend ist, dass die Qualitätssicherung vor einem Inverkehrbringen umgesetzt sein muss", bekräftigte der Sprecher abschließend.

Dass man versuche, sich den Impfstoff zu reservieren, sei gut, sagt auch Markus Zeitlinger, Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der MedUni in Wien. Einen Einsatz in Österreich ohne Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA befürwortet Zeitlinger jedoch nicht.

Welche Informationen und Daten für eine Zulassung noch fehlen, wisse momentan "keiner ganz genau", so der Wissenschafter am Freitag im Gespräch mit der APA. Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit seien in einer im renommierten Fachblatt "The Lancet" veröffentlichten Studie mit rund 20.000 Teilnehmern publiziert worden. Demnach war der Impfstoff "grundsätzlich sicher" und zeigte auch eine Effektivität von um die 90 Prozent.

Ein "undurchsichtiges Spiel"?

Zeitlinger: "Das würde grundsätzlich für eine Zulassung reichen." Die spannende Frage sei aber, warum die Einreichung zur Zulassung dann nicht erfolgt sei: "Das ist der Beigeschmack, den das Ganze hat."

Klar sei, dass das Vakzin zwar im Rolling Review-Verfahren bei der EMA ist. Die "Gretchenfrage" nach der Zulassung "hat die Firma der EMA nicht gestellt", betonte Zeitlinger. Entweder agiere man hier herstellerseitig "naiv", es fehle etwas oder man treibe ein undurchsichtiges Spiel. 

Viel Verantwortung bei Alleingang

Bei Arzneistoffen, die bei viralen Erkrankungen eingesetzt werden, brauche es eine zentrale Zulassung. In Österreich könne das Gesundheitsministerium aber eine Verordnung auf Basis des Österreichischen Arzneimittelgesetzes treffen. Damit könnte der Minister explizit festlegen, dass ein Medikament hierzulande unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden kann, "obwohl es nicht zugelassen ist". Zeitlinger: "Das bedeutet auch, dass die Regierung und der Gesundheitsminister sehr viel Verantwortung übernehmen."

In einer solchen Verordnung könnten auch nur einzelne Chargen quasi freigegeben werden. "Es könnte ja Unterschiede zwischen den Chargen geben", betonte der Forscher. Genau hier liege auch ein möglicher Knackpunkt für die unorthodoxe Vorgehensweise bei der Zulassung: Es könnte nämlich sein, "dass die Qualitätsdaten fehlen. Das ist aber rein spekulativ".

Wenn ein Vakzin-Hersteller nämlich daran geht, die Produktionsmengen rasch stark auszudehnen - sozusagen von einem kleinen auf einen großen Kochtopf wechselt -, kann es zu Problemen der gleichbleibenden Qualität kommen. "Das kann einfach am Anfang passieren", sagte Zeitlinger.

"Wie ein Auto ohne Pickerl"

Sich also Sputnik V-Dosen jetzt zu sichern, macht für Zeitlinger Sinn. Ein Kauf sei eine "politische Frage" und komme in etwa einer Auto-Anschaffung gleich, das (noch) kein Pickerl hat. "Einsetzen würde ich es nicht ohne eine EU-Zulassung. Das muss den europäischen Weg gehen", um die etablierte Vorgehensweise nicht auszuhebeln, zu der sich Österreich bekannt hat, betonte der Pharmakologe: "Es fällt uns einfach auf den Kopf, wenn Staaten hier nicht an einem Strang ziehen."