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Die Mondmission des Joe Biden

Von Konstanze Walther

Politik

Der ehrgeizige Plan des US-Präsidenten, zwei Billionen Dollar in die marode Infrastruktur sowie in die Modernisierung des Landes zu stecken, erinnert in seiner Ambition an die großen Vorhaben seiner Vorgänger aus dem 20. Jahrhundert.


Die USA sind unbestritten weltweit Technologie-Vorreiter. Sie haben industrielle Meilensteine wie die Fließband-Produktion gesetzt und die ersten Menschen zum Mond geschickt.

Umso mehr überrascht es, wenn man als Besucher die andere Seite der USA kennenlernt. Dort, wo man auf einem kommunistisch anmutenden Flughafen landet, der afrikanischen Ländern um nichts überlegen ist (LaGuardia, New York). Dort, wo man um sein Leben fürchten muss, weil die Straße so viele Schlaglöcher hat wie ein Trampelpfad durch den Amazonas (Kalifornien ist dafür berüchtigt). Dort, wo Handynetz oder Internet nicht funktionieren (das kann einem großflächig überall passieren). Oder dort, wo Menschen an Bleivergiftung wegen verunreinigten Trinkwassers sterben (wie in Flint, Michigan).

So manche US-Präsidenten haben versucht, die Infrastruktur der USA zu modernisieren, aber alle sind an dem einen Problem gescheitert: Das kostet Geld, und es gibt viele US-Bürger, die Angst vor einem "Big State" haben. Bloß keine Einmischung in das persönliche Leben - auch wenn das bedeutet, dass das Trinkwasser nicht mehr sicher ist und Wege unbefahrbar sind. Eine Studie hat schon 2012 berechnet, dass die schlechten Straßen den durchschnittlichen US-Fahrzeughalter mindestens 400 US-Dollar im Jahr zusätzlich kosten - denn die Autos müssen wegen der Schlaglöcher ständig zur Reparatur.

Nun witterte der neue US-Präsident Biden hier eine Jahrhundert-Chance. Auch die USA befinden sich in einer tiefen, pandemiebedingten Wirtschaftskrise. Um die Erholung voranzutreiben, will Biden, ein Bewunderer des Ökonomen John Maynard Keynes, viel Geld in die Hand nehmen - und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mit rund zwei Billionen US-Dollar soll die Infrastruktur modernisiert werden - und nebenbei Millionen an Jobs geschaffen werden, die auch die Kluft zwischen Arm und Reich verkleinern sollen.

Biden wurde 1942 geboren. In seinen Zwanzigern erlebte er, wie der demokratische Präsident John F. Kennedy öffentliche Vorhaben mit Geldern und Worten vorantrieb - so wie etwa das Raumfahrtprogramm, das zur Mondlandung führte. Oder Lyndon B. Johnsons umfassender Sozialplan "Great Society". Mammut-Pläne, die später in dieser Größe in den USA nie wieder kommen sollten. Aber offenbar beim 78-jährigen Biden nach wie vor Eindruck hinterlassen haben. Und auch er will nun mit seinem Plan "eine Generation gestalten".

Vor Jahrzehnten hätten die USA zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Heute sind es weniger als ein Prozent. Die USA "sind zurückgefallen", erklärte Biden. "Wir können so nicht weitermachen."

Staat kontinuierlich verkleinert

An dieser Entwicklung haben freilich nicht nur Republikaner kausal mitgewirkt: Viele US-Präsidenten haben in den vergangenen Jahrzehnten den Staat sukzessive verkleinert und öffentliche Ausgaben zurückgeschraubt. Auch Barack Obama wollte nicht allzu deutliche Pflöcke nach der Finanzkrise 2007/08 einschlagen. Sein damaliger Vize Biden, der zwar 2024 theoretisch die Wiederwahl anstrebt, setzt dafür jetzt alles auf eine Karte, falls es doch bei nur einer Amtszeit bleibt: von der Renovierung der Straßen über eine Verbesserung der Kinderbetreuung bis hin zur Errichtung unzähliger Ladestationen für E-Autos.

"Ich bin völlig überrascht von der Größenordnung seines Vorschlags", zitiert etwa die Nachrichtenagentur Reuters Simon Johnson, Ökonomie-Professor am MIT. Dabei kann der Inhalt des Biden-Plans an sich viele akademische Experten kaum verblüffen. Solche Ideen zirkulieren seit Jahren an den Universitäten, auch Johnson vertritt sie.

Biden hat zudem in den nächsten zwei Jahren einen entscheidenden Vorteil: Bis zu den nächsten Midterm Elections haben die Demokraten nicht nur das Weiße Haus, sondern auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus: Im Senat (zählt man die ausschlaggebende Stimme der Vizepräsidentin bei Stimmengleichstand mit), haben sie nur die Mehrheit wenn sie die zwei unabhängigen Senatoren bei diesem Projekt auf ihre Seite ziehen können.

Denn die Republikaner werden ihn mit Zähnen und Klauen im US-Kongress bekämpfen. Mitch McConnell, Sprecher der Republikaner im Senat, erklärte bereits am Mittwoch, dass eine solche Gesetzesvorlage einem "trojanischen Pferd für eine massive Steuererhöhung" gleichkommt.

Zur Finanzierung sollen zunächst ausschließlich die Unternehmen herangezogen werden, wie es aus dem Weißen Haus heißt. Dazu sollen die unter Ex-Präsident Donald Trump von 35 auf 21 Prozent gesenkte Unternehmenssteuer auf 28 Prozent angehoben und Förderung von fossilen Brennstoffen gestrichen werden.