Zuletzt warb er für das Impfen, machte sich für die Wahl von Alexander van der Bellen zum Bundespräsidenten stark und meldete sich immer wieder zum aktuellen Zeitgeschehen zu Wort. Nun ist Hugo Portisch im Alter von 94 Jahren gestorben. Laut seinem langjährigen Journalistenkollegen Heinz Nußbaumer ist Portisch am Donnerstagmittag in einem Krankenhaus "nach kurzer Krankheit sanft eingeschlafen". Vielen Österreichern galt Portisch als der Vermittler österreichischer Zeitgeschichte schlechthin. In die Annalen der Medienpolitik hat er sich als Initiator des Rundfunk-Volksbegehrens eingetragen.

Der breiten Öffentlichkeit wurde Hugo Portisch in seiner Funktion als Chef-Kommentator des ORF-Fernsehens bekannt. Wie kein Zweiter beherrschte er die Kunst, komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten zu erklären und Wissen mit hoher Kompetenz, aber ohne erhobenen Zeigefinger zu vermitteln. Die ausladende Gestik, mit der er stets seine Analysen unterstrich, wurde zu seinem Markenzeichen. Mindestens zwei  Generationen haben von Portisch gelernt, Zeitgeschichte zu verstehen und Ereignisse rund um den Globus zu bewerten.

Unumgänglich sind in dem Zusammenhang seine Fernsehserien "Österreich II" und "Österreich I", mit denen der Journalist in den 1980er-Jahren zur Inkarnation eines kollektiven österreichischen Geschichtsbewusstseins wurde. 2013 wurde auf ORF III die Neuauflage von "Österreich II", technisch und inhaltlich aktualisiert, noch einmal ausgestrahlt. Im Jahr 2005 lieferte Portisch mit der vierteiligen Reihe "Die Zweite Republik - Eine unglaubliche Geschichte" ein "spätes Meisterstück öffentlich-rechtlicher TV-Kultur", so der ORF. Unvergessen sind auch - vor allem in den Sechziger- und Siebziger-Jahren, als Berichte aus fernen Ländern noch selten waren - seine außenpolitischen Reihen "So sah ich ...", die ihn von Afrika nach Vietnam, von London bis Peking führten.

Anfänge bei der Wiener Tageszeitung

Der am 19. Februar 1927 in Preßburg geborene Hugo Portisch studierte in Rekordzeit Geschichte, Germanistik, Anglistik und Publizistik. Bereits 1948 begann er als Redaktionsaspirant der "Wiener Tageszeitung", zwei Jahre später wurde er dort Leiter der Außenpolitik. Nach einer Zwischenstation als Leiter des Österreichischen Informationsdienstes in New York begleitete Portisch in einem kurzen, aber historisch bedeutsamen Zeitraum Bundeskanzler Julius Raab als Pressesprecher bei Staatsbesuchen in die USA.

1955 holte ihn Hans Dichand, damals Chefredakteur des neugegründeten "Kurier", als Stellvertreter. Nach Dichands Abgang aus der damals größten Tageszeitung wurde Portisch 1958 Chefredakteur. Portisch war maßgeblicher Proponent des erfolgreichen Rundfunkvolksbegehrens, das in die Rundfunkreform unter Generalintendant Gerd Bacher mündete. 1967 wechselte er als Chefkommentator in den ORF - und wurde eines der Aushängeschilder der Bacher'schen Informationsoffensive.

Für seine verdienstvolle Arbeit wurde Portisch u.a. mit dem Karl-Renner-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, der Goldenen Kamera und dem Fernsehpreis "Romy" ausgezeichnet. Unter seinen zahlreichen Büchern befindet sich auch durchaus unpolitisches: 1989 verfasste der passionierte Schwammerlsucher zusammen mit seiner Frau Gertraude den Band "Pilzesuchen - ein Vergnügen".

Seine Autobiografie "Aufregend war es immer" ist anlässlich seines 90. Geburtstages neu aufgelegt worden. Mit "Leben mit Trump - ein Weckruf" hat er zuletzt auch eine aktuelle Betrachtung des Umbruchs in den USA und dessen internationale Folgen vorgelegt.

Trauer um einen Großen

Viele heimische Politiker und Journalisten kondolierten Donnerstagnachmittag der Familie und den Freunden der Journalistenlegende Hugo Portisch. Der ORF trauert um einen "seiner klügsten Journalisten, Analytiker des Weltgeschehens und einen der vehementesten Proponenten für einen reformierten Rundfunk".

Ohne ihn wäre die Institutionalisierung des unabhängigen Journalismus als wichtige demokratiepolitische Kontrollinstanz jahrelang Chimäre geblieben, teilte das größte Medienunternehmen des Landes in einer Aussendung mit. "Hugo Portisch war einer der bedeutendsten Journalisten in der Geschichte der Zweiten Republik und eine der prägendsten und wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des ORF", so ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Für Millionen Österreicherinnen und Österreicher sei er über Jahrzehnte der beste Vermittler von internationalen und historischen Zusammenhängen gewesen.

Einen der "ganz Großen", einen "herausragenden Journalisten, der uns die Welt ins Wohnzimmer gebracht hat" habe man verloren, bedauerte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). "Er war eine Instanz der politischen Aufklärung und eine engagierte Stimme, die den demokratischen Aufbruch in Osteuropa begleitet hat. Von meiner Jugend an haben mich seine treffenden Analysen, seine markante Art und seine unglaubliche Gabe, die komplexesten Dinge einfach zu erklären, begleitet", würdigte ihn Kogler. "Wir werden seine Stimme und Analysen vermissen."

Eine große, schmerzende Lücke hinterlasse der Tod von Hugo Portisch, reagierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner. "Ein Jahrhundert-Journalist, eine moralische Instanz, ein standhafter Humanist. Was für ein Leben hat er gelebt. Uns alle hat er bereichert. Meine Anteilnahme gilt seiner Familie und Freunden", so Rendi-Wagner.

"Österreich II und später Österreich I haben bei vielen jungen Menschen, wie auch bei mir persönlich, das Interesse für die Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte geweckt und gefördert. Wir verlieren in ihm einen großen Analysten und Kenner der österreichischen Politik, geschätzt und verehrt weit über die Grenzen Österreichs hinaus", ließ Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wissen.

In Gedanken bei seinen Angehörigen ist auch Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne): "Es ist selten, dass journalistische Beobachter den öffentlichen Diskurs so stark prägen, dass man von einem eigenen Genre, einer eigenen Kunstform sprechen kann. Hugo Portisch hat das vor allem, aber nicht nur mit den Fernsehserien 'Österreich I' und 'Österreich II' geschafft, und er hinterlässt Österreich damit einen großen - auch kulturellen - Schatz."

Als einer "der wichtigsten und prägendsten Journalisten Österreichs" wurde Portisch am Donnerstag von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bezeichnet. Darüber hinaus sei Portisch ein für viele Generationen unverzichtbarer Begleiter und hochkompetenter Erklärer gewesen und habe "unser Geschichtsbewusstsein und unser Weltbild" geprägt.

Radiosendung in memoriam

Ö1 ändert in memoriam Hugo Portisch sein Programm. Ö1 wiederholt am Freitag ab 16.05 Uhr die Sendung "Hugo Portisch, wie ihn kaum wer kennt", die im Februar im "Salzburger Nachtstudio" ausgestrahlt wurde, teilte der Radiosender mit. Dieses basiert auf einem bis dahin unveröffentlichten 30-stündigen Gespräch, das der Salzburger Verleger Hannes Steiner vor einigen Jahren mit Portisch geführt und aufgenommen hat.