Streit um die Wiener Innenstadt: Alles begann mit einem Käsebrot

Streit um die Wiener Innenstadt: Alles begann mit einem Käsebrot
Die Verkehrsberuhigung war der skurrilste Wahlkampf-Aufreger des Vorjahres – und er hatte weitreichende Folgen. Ein Rückblick.

Es ist der 13. Juni 2020, als am Abend das Telefon läutet. Der Bürgermeister ist dran. Er hat offensichtlich gerade die Krone gelesen – und ist verärgert. Was da los sei, will er wissen. Sie melde sich später wieder, sagt eine Frauenstimme. Sie wolle zuerst „ihr Käsebrot fertigessen“.

So – oder so ähnlich – soll der Streit um die sogenannte autofreie Innenstadt ihren Anfang genommen haben. Sie wurde einer der Wahlkampfschlager schlechthin. Und kostete am Ende – neben anderen Gründen – den Grünen die Regierungsbeteiligung.

Die Frau am anderen Ende der Leitung? Birgit Hebein, damals grüne Vizebürgermeisterin und zu diesem Zeitpunkt längst auf Konfrontationskurs mit ihrem Koalitionspartner, der mächtigen Wiener SPÖ.

Ein Foul - oder gleich zwei?

Am besagten Wochenende eskalierte der Streit: Hebein plane gemeinsam mit dem türkisen Bezirkschef Markus Figl die Verkehrsberuhigung der Inneren Stadt, berichtete die Krone.

In der SPÖ war der Ärger groß: über das Projekt an sich. Noch mehr aber darüber, dass die Vizebürgermeisterin ein derartiges Projekt an Stadtchef Michael Ludwig vorbei auf Schiene brachte. Dass Hebein, als die Bombe platzte, zuerst ihr Abendessen genießen wollte, bevor sie Ludwig Rede und Antwort stand, wertete man in der SPÖ als zusätzliches atmosphärisches Foul. Eine kulinarische Kriegserklärung, quasi.

Ob sich das Telefonat wirklich so zugetragen hat, wie es bis heute in der Stadt erzählt wird, ist nicht ganz gesichert. Hebein selbst hat sich zu der Causa nie geäußert.

Ganz generell hatte die mittlerweile aus der Politik geschiedene Grünen-Chefin eine ganz andere Wahrnehmung zu dem, was sich im Sommer zugetragen hat. Der Bürgermeister sei stets eingebunden gewesen, sagte sie. Und ortete ihrerseits ein Foul der SPÖ, die das Thema nur aufgebauscht habe, um in den Wahlkampf starten zu können. So oder so entwickelte sich die Kontroverse zu einem beherrschenden Thema vor der Wahl.

Wenige Tage nach dem Bericht traten Hebein, Figl und die Neos in der Inneren Stadt vor die Medien, um das Projekt zu präsentieren (siehe Bild rechts). Die Bezirks-SPÖ stieg kurzfristig aus, ihr wurde das Thema zu heiß.

Ein Gutachten

Ludwig holte zum Gegenschlag aus: Er verkündete, dass er – vielleicht! – ein Veto einlegen müsse, weil die von Hebein geplante Regelung verfassungswidrig sei. Prüfen sollte das der Verfassungsdienst der Stadt, der im Rathaus angesiedelt ist. Der Prüfvorgang war offenbar sehr umfassend und genau, denn er dauerte lange. Verdächtig lange, sagen böse Stimmen. Fertig wurde das Gutachten kurz vor der Wahl.

Die Zwischenzeit nutzte der Bürgermeister und rote Wahlkämpfer, um sich auf Fact Finding Mission in die Innere Stadt zu begeben. Dort traf er – zufällig – allerlei Menschen, die dem Fahrverbot skeptisch gegenüber standen. Von der Buchhändlerin bis zu Dompfarrer Toni Faber.

Irgendwann war klar: Das wird nichts mit dem Verbot. Und so kam es dann auch. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken kippte Ludwig das grün-türkise Projekt im Endspurt des Wahlkampfs. Um es wenig später – eine Provokation par excellence – in seinen Koalitionspakt mit dem neuen pinken Juniorpartner Christoph Wiederkehr explizit hineinzuschreiben.

Die Mär von der Gegenkoalition

Und Figl? Er bekam Probleme in der eigenen Partei. Auch Figl hatte vorab niemanden informiert. In der autofahrerfreundlichen ÖVP kam sein Pakt mit Hebein nicht gut an. (Nicht zuletzt, weil er die rote Mär von der türkis-grünen Gegenkoalition in Wien nährte.) Auch die Wirtschaftskammer schäumte.

Übrigens: Wer die Pläne der Kronenzeitung verraten hat, ist bis heute unklar. Unter Verdacht standen Figl, Hebein und sogar die SPÖ selbst.

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