In den Süden gibt es am Vormittag kein unkontrolliertes Durchkommen. Vor dem Zollamt auf der Spur in Richtung Neunkirchen stehen zwei Polizeiautos mit Blaulicht. Davor stoppen einige Beamte alle Fahrzeuge, die aus Wiener Neustadt hinausfahren wollen. Können die Insassen ein negatives Testergebnis vorweisen, werden sie weitergewunken. Wenn nicht, wartet am Parkplatz daneben in einem blauen Container schon das Wattestäbchen. 26 Straßen führen aus der Stadt, Staus bilden sich deshalb nirgendwo.

Seit einigen Tagen ist Wiener Neustadt jener Bezirk mit der höchsten Sieben-Tage-Inzidenz im Land. Um die Lage wieder in den Griff zu kriegen, darf die Stadt nur noch mit einem negativen Test verlassen werden: "Wir sind bereit, all das zu machen, was uns das Gesundheitsministerium aufgrund der Situation in Wiener Neustadtvorgeschrieben hat", sagt Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP). Seit Samstag früh wird das auch kontrolliert und sanktioniert. Jedoch wolle die Polizei "bewusstseinsbildend und "mit Fingerspitzengefühl" agieren, wie Landespolizeidirektor Franz Prokopp sagt.

Leere Bahnsteige

Am Hauptbahnhof sind die Bahnsteige fast leer. "Heute ist es noch ruhiger als an den letzten Samstagen", sagt Benjamin K., der im Reisezentrum der ÖBB hinter dem Schalter sitzt. Die meisten, die hier unterwegs sind, werden ob ihres Berufes ohnehin mehrmals die Woche getestet. Kontrolliert werden auch sie von der Polizei nur stichprobenartig. Allenfalls steht vor dem Haupteingang wieder ein blauer Container. Fünf dieser mobilen Teststationen sind seit Freitag im Einsatz, dazu noch drei permanente Teststraßen, 15.000 Menschen können sich so pro Tag testen lassen.

Eine der Teststraßen wurde in den Kasematten im Stadtpark aufgebaut. Vor einem Jahr wurde hier noch Dürrenmatt auf die Bühne gebracht. Heute gehen die Menschen, statt mit dem Ticket in der Hand, mit der Maske im Gesicht hinein. Von einem großen Andrang kann hier nicht die Rede sein. Viele, die herauskommen, erzählen von einer Wartezeit von höchstens zwei Minuten.

Am Bahnhof war die Ansteckungsgefahr am Samstag wohl überschaubar.
Am Bahnhof war die Ansteckungsgefahr am Samstag wohl überschaubar. © Schöggl

Voller Hauptplatz

Reges Treiben herrscht hingegen am Hauptplatz. Kleine Gruppen stehen zum Plaudern in der Sonne, Kinder klettern auf den Spielgeräten herum, aus Radkörben blitzen Palmkätzchen und Gemüse vom Wochenmarkt hervor. Wolfgang Leinweber zeigt sich doppelt überrascht, als er gegen Mittag seinen Marktstand wegräumt: "Ich hätte mir nicht gedacht, dass so viele Standler von außerhalb hereinkommen", Bis auf eine Ausnahme seien die üblichen Verdächtigen alle hier. Außerdem habe er heute ein besseres Geschäft gemacht als erwartet. Von den Ausreisekontrollen ist er wenig überraschend nicht begeistert, aber als notwendiges Übel akzeptieren es – wie er – viele. "Es hilft halt nix", wird in diesen Tagen wohl besonders oft in der Stadt gesagt.

Kaum Umsatz macht hingegen Reinhard Ehrenböck. Er betreibt in ganz Österreich Filialen seines Street-Wear-Shops "Rag", eine davon im Einkaufszentrum Fischapark in Wiener Neustadt. Seit am Mittwoch die Ausreisekontrollen angekündigt wurden, geht der Umsatz im gesamten Einkaufszentrum gegen Null: "Nachdem das Geschäft aber nicht behördlich geschlossen ist, weiß ich nicht, ob ich Anspruch auf Hilfen habe". Ob sein Unternehmen überleben wird, könne er erst am Ende das Jahres sagen.

Bürgermeister Schneeberger schlägt in eine ähnliche Kerbe: "Schon in den vergangenen Tagen sind immer weniger Menschen nach Wiener Neustadt gekommen". Das treffe natürlich auch die Wirtschaft. Für die Testkapazitäten und Ausreisekontrollen wartet der Härtetest dennoch erst am Montag. Mehr als 40.000 Pendler überqueren üblicherweise täglich die Grenzen Wiener Neustadts, darunter viele Schüler. Am Bahnhof, im Stadtpark und auf den Straßen wird es dann wohl kaum so ruhig sein wie am Samstag.