Quergeschrieben

Das Freitesten und die fehlende Strategie

APA/GEORG HOCHMUTH
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Eine Strategie mit richtigen Prioritäten erschließt sich nach neun Monaten Krise immer noch nicht.

Seit fünf Jahren lebt das Paar in London. Er ist Österreicher, seine Partnerin Spanierin. Zu Weihnachten wollten sie zu ihren Familien reisen. Dann tauchten Meldungen über das mutierte Virus in Südengland auf, das hochansteckend sei. Binnen kurzer Zeit wurden die Grenzen dichtgemacht, Flüge gestrichen.

Das Paar konnte noch umbuchen. Die junge Frau erhielt von den spanischen Behörden die Mitteilung, dass sie zur Einreise einen aktuellen negativen Coronatest brauche. Der junge Mann erhielt von den österreichischen Behörden nichts. Also, so dachte er, werde er wohl bei der Einreise auf dem Flughafen getestet werden.

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Da er direkt aus London anreise, würde sicher streng kontrolliert werden. Doch nach der Landung standen da nur zwei Grundwehrdiener mit Formularen und dem Hinweis, sich in Quarantäne zu begeben. Das war ihm nicht geheuer. Also suchte er auf dem Flughafen Schwechat nach einer Testmöglichkeit. Doch die Teststation hatte seit Stunden geschlossen. So reiste er ohne Testung weiter. Und mit einem mulmigen Gefühl. Ein nach fünf Tagen Quarantäne selbst organisierter Test war negativ. Kontrolliert wurde seine Quarantäne nie.

Die Geschichte ist prototypisch für die sogenannte Teststrategie der vergangenen Monate. An neuralgischen Punkten fehlte es an Testungen, vor allem in Pflegeheimen, die fast die Hälfte der Todesfälle ausmachen. Dafür gibt es Massentests und soll sich die Bevölkerung am Ende eines Lockdowns, in dem sie kaum Möglichkeiten hatte sich anzustecken, „freitesten“. Das mag gut gemeint sein, erweckt aber eher den Anschein von Ad-hoc-Aktionen ohne Plan statt einer durchdachten Strategie. Das zeigt sich auch daran, dass man ab Mitte Jänner zwar für den Besuch eines Lokals einen negativen Test vorweisen wird müssen, aber weiter nicht beim Besuch im Krankenhaus.

Der Eindruck manifestiert sich, wenn man das andauernde Verordnungs- und Gesetzeschaos betrachtet. Wie schon im Sommer wurde rasch eine Gesetzesnovelle zusammengezimmert. Mit dem Unterschied, dass für die Begutachtungsfrist noch weniger Zeit, nur drei Tage und über den Jahreswechsel, eingeplant wurde. Damit wird deutlich, dass die Regierung die Opposition endgültig nicht mehr ernst nimmt. Und es ist auch ungeschickt, weil man die Stimmen zumindest einer Oppositionspartei braucht.

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