Balkan-Blog

Als wir Balkaner nicht zu den Massentests gingen

Als Ausländer lebt es sich aktuell nicht ganz so einfach. Alle paar Wochen ist man für eine neue Sünde verantwortlich.

David Slomo
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Ich sag mal so: Es tut mir leid... Alles.
Ich sag mal so: Es tut mir leid... Alles.
Picturedesk/Heute

Dieses Virus war am Anfang fast schon irgendwie befreiend. Man kann sich vielleicht gar nicht mehr so richtig erinnern, aber es gab eine Zeit, in der das Thema Migration die politischen Diskussion beherrschte. Von daher konnte man als Ausländer tatsächlich ein wenig durchatmen, als es von einem Tag auf den anderen nur mehr um Corona ging. Mehr noch: In Österreich formte sich eine Einheit. Alle sollten mithelfen, die Pandemie zu bekämpfen. Egal ob groß, klein, dick, dünn, alt jung. Und sogar die Herkunft war egal. Schön war das.

Wer ist nochmal schuld an allem?

Mittlerweile haben sich die Zeiten wieder ein wenig geändert. Irgendwie werden in Österreich wieder "Sündenböcke" gesucht, wie die "Süddeutsche" noch Anfang Dezember schrieb. Und zwar eben für genau diese Pandemie, die ja alle bekämpfen wollen. Also alle, bis auf ein paar "querdenkende Ausnahmen", aber die lassen wir jetzt außen vor. Konkret hat man es so ziemlich auf Menschen mit Wurzeln auf dem Balkan abgesehen. Die seien nämlich für die zweite Welle verantwortlich gewesen und damit auch Schuld für den zweiten Lockdown. Zu dem Thema gab es aber schon einen "Balkan Blog", den du HIER nachlesen kannst.

Dieses Mal geht aber um etwas anderes. Und zwar um die Massentests. Die Hoffnung war, dass möglichst alle Einwohner zu diesen gehen. Am Ende fiel die Beteiligung eher mau aus, um es nett zu umschreiben. In Wien ging man zum Beispiel von 1,2 Millionen Menschen aus, welche diese Chance nutzen würden. Für dieses Ziel fehlten jedoch rund 965.000 Tests. Heißt umgerechnet, dass gerade einmal knapp 13 Prozent der Testberechtigten auch tatsächlich zur Stadthalle, der Marxhalle und der Messe pilgerten. Österreichweit lag die Beteiligung immerhin bei 25 Prozent. Und wer war für die miese Quote Verantwortlich? Richtig: die Ausländer!

Prozente, Prozente, Prozente

Das ist kein Grund, der mir jetzt einfach so eingefallen ist. Tatsächlich waren sich ein paar Politiker sicher, dass die Test-Beteiligung nur wegen der Migranten so schlecht ausgefallen ist. Einer davon: Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP). Der rechtfertigte die mageren 15 Prozent, die zu den Tests gingen wie folgt: "Das ist nicht gut so, aber ich führe das auf die Zusammensetzung in der Stadt zurück." Jetzt könnte man sagen, dass man hier die "Ausländer-Keule" einfach nur reininterpretieren würde. So habe er das vielleicht gar nicht gemeint. Das wäre auch wirklich möglich gewesen, wenn er nicht weitergeredet hätte: "Wir haben einen riesengroßen Migrationsanteil, und leider sind die Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund spärlich da, sich entsprechend testen zu lassen."

Jetzt ist es aber so, dass das rechnerisch nicht so ganz richtig sein kann. Laut Schneeberger würden also ungefähr 85 Prozent Ausländer in Wiener Neustadt leben, die gar keine Lust darauf gehabt haben sollen, sich ein Staberl in Nase und Rachen schieben zu lassen. In Wirklichkeit haben aber laut Statistik Austria genau 26,9 Prozent der Industriestädter einen Migrationshintergrund. Da fehlen also ein paar Leute, die ihre Wurzeln nicht im Ausland haben und auch nicht zum Test wollten. Ich muss aber gestehen: Ich war ebenfalls nie wirklich gut in Mathe.

Über diesen Blog
Hallo und herzlich willkommen zu "Hajde", dem Balkan-Blog auf "Heute.at"! Ich, der das alles hier zu verantworten hat, bin zwischen Sarma und Wiener Schnitzeln aufgewachsen. Wie das so ist? Das verrate ich euch immer wieder in meinen Kolumnen.
Übrigens: "Hajde" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Los geht's!"

Und was ist für dich typisch Balkan? Siehst du manche Sachen vielleicht anders als ich? Oder stimmst du mir vielleicht auch zu?
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Jetzt aber!

Zudem handelt es sich bei der Aussage schlichtweg um eine waghalsige Vermutung. Denn bei den Testungen musste der Pass nicht vorgezeigt werden. So zumindest mein letzter Wissensstand. Somit kann Schneeberger seine Theorie gar nicht belegen.

Kurz durchgerechnet war auch die Test-Faulheit in Wien kein Migrations-Problem. Stimmt schon: Fast jeder Dritte in der Bundeshauptstadt hat mittlerweile eine ausländische Staatsbürgerschaft. Und noch mehr haben Wurzeln, die auf dem ganzen Globus verteilt sind. Ob aber wirklich 87 Prozent der Wiener Ausländer sind? Ich lehne mich hier ganz weit aus dem Fenster und bezweifle es einfach mal. 

Vielleicht steigt 2021 der Wille zum Testen. Immerhin kann man sich ja im Jänner "freitesten" lassen. Da wird sich doch der ein oder andere Jugo oder Türke schon dazu überreden lassen. Oder?