Eine Sitzblockade gegen die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan hat am heutigen Dienstagnachmittag zu einem drei Kilometer langen Stau auf einer der wichtigsten Verkehrsadern Wiens geführt. Wie ein ÖAMTC-Sprecher der APA mitteilte, reichte der Stau von der Rossauer Lände in Wien-Alsergrund über die Nordbrücke bis auf die Donauuferautobahn (A22) zurück. Laut Polizei hatten 23 Personen das Polizeianhaltezentrum an der Rossauer Lände blockiert.

Der Protest konnte die Abschiebungen nicht verhindern. Zehn Personen seien wie geplant am heutigen Dienstag zum Flughafen Wien-Schwechat gebracht worden, um von dort nach Afghanistan abgeschoben zu werden, bestätigte die Polizei. Nach Darstellung der Gegner der Abschiebungen werden die Personen, die vor politischer oder religiöser Verfolgung aus dem Land geflohen seien, damit in Lebensgefahr gebracht.

Erste Abschiebung seit Corona

Es handelt sich um die erste Gruppenabschiebung seit der Corona-Krise. Der Grazer Menschenrechtsexperte Wolfgang Benedek hält dazu fest: "Da ist es von Interesse, dass eine Richterin des Bundesverwaltungsgerichts kürzlich subsidiären Schutz erteilt hat, weil ein afghanischer Asylwerber noch nie in Afghanistan war und weil sich dort aufgrund der Covid-19-Situation die Lage auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt so verschärft hat, dass der abgelehnte Asylwerber in eine ausweglose Lage geraten würde."

In einem anderen Fall wurde die Aberkennung des subsidiären Schutzes aufgehoben und dieser Schutz um zwei Jahre verlängert. Lange Zeit war in Österreich ein Gutachter vor Gericht aufgetreten, der die Lage in Afghanistan als sicherer beurteilte als sie tatsächlich ist und der letztlich auch seiner Funktion enthoben wurde.

Sicherheitslage fragil

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist äußerst fragil. Zwar sind derzeit Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den radikal-islamischen Taliban im Gange, doch kommt es laufend zu gewaltsamen Zwischenfällen. Viele davon werden auch von der IS-Miliz verübt, die versucht, in das durch den geplanten US-Abzug entstehende Sicherheitsvakuum vorzustoßen. Erst am heutigen Dienstag kam der Vizegouverneur von Kabul, Mahbubullah Mohebi, bei einem Bombenanschlag in der afghanischen Hauptstadt ums Leben.