Zum Hauptinhalt springen

Die letzte Schlacht

Von Ines Scholz

Politik

Noch-Außenminister Pompeo lässt sich in Jerusalem als Israel-Freund feiern und besucht eine jüdische Siedlung.


Auch wenn Mike Pompeo es tunlichst vermeidet, von einer Abschiedstour zu sprechen - die äußerst kurzfristig anberaumten Blitzbesuche des amerikanischen Außenministers in mehreren Hauptstädten Europas und des Nahen Ostens lassen wenig Interpretationsspielraum. Nach Stationen in Paris (Montag), Tiflis und Istanbul (Dienstag) steht am Mittwoch Jerusalem auf dem Reiseprogramm. Am Freitag reist der 56-Jährige nach Doha und Riad weiter.

Dass der Republikaner mit seinem Reiseprogramm nicht überall auf so ungeteilte Begeisterung stößt wie in Israel, ist seinem hartnäckigen Verleugnen der Wahlniederlage von Donald Trump geschuldet. In Frankreich beeilte sich das Büro von Präsident Emmanuel Macron zu betonen, dass die Visite auf Wunsch des US-Ministers und "in völliger Transparenz mit dem Team des gewählten Präsidenten Joe Biden" erfolgt sei. Und in der Türkei fand sich kein Politiker, der ihm auch nur die Hand schütteln wollte.

Israels Regierung plagen derartige Berührungsängste nicht. Hier steht dem scheidenden Hardliner ein warmherziger Empfang bevor. Treffen mit Regierungschef Benjamin Netanjahu, seinem Vize Benny Gantz, Pompeos Amtskollegen Gabi Ashkenazi sowie mit Mossad-Leiter Yossi Cohen stehen israelschen Medienberichten zufolge auf dem Programm. Auch der Besuch einer jüdischen Siedlung soll geplant sein. Pompeo wäre damit der erste US-Vertreter, der offiziell diesen Schritt setzt.

Für einen ähnlichen internationalen Eklat hatte Pompeo schon einmal gesorgt, als er vor einem Jahr während eines Besuchs in Israel angekündigt hatte, dass Washington die jüdischen Siedlungen in Ostjerusalem und dem Westjordanland fortan nicht mehr als völkerrechtswidrig betrachten würde. Nicht nur dieser Tabubruch brachte der Trump-Administration in der israelischen Rechten und bei deren wichtigstem Vertreter, Langzeitpremier Netanjahu, allerhöchstes Ansehen ein. Washington setzte in der Palästina-Frage in den vergangenen vier Jahren außerdem weitere Schritte bereitwillig um, die in Israel für viel Applaus sorgten, im Rest der Welt aber einen Aufschrei verursachten.

Liste der Tabubrüche ist lang

So wird in Israel nicht vergessen, dass Präsident Trump 2017 als erstes Staatsoberhaupt weltweit Jerusalem als alleinige Hauptstadt Israels anerkannt hat und die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin verlegen ließ. Im Gedächtnis bleibt auch der vom Weißen Haus 2019 präsentierte Nahost-Friedensplan, der de facto einen Freibrief für eine Annexion weiter Teile der von der israelischen Armee 1967 besetzten Palästinensergebiete darstellte. Dass die Palästinenserführung ihn ablehnte, quittierte Washington mit der Streichung der Finanzhilfen.

Auch gegenüber dem Erzfeind Iran fand die israelische Regierung in Trump und seiner Entourage einen engen Verbündeten. Dass der US-Präsident das unter seinem Vorgänger Barack Obama mitverhandelte internationale Atomabkommen mit Teheran unilateral aufkündigte und das Land am Golf stattdessen mit neuen Sanktionen bedachte, soll nicht zuletzt auf Drängen Netanjahus erfolgt sein. Der Iran reagierte mit der Wiederaufnahme seines Urananreicherungsprogramms, wenn auch - vorerst - nicht auf atomwaffentaugliches Niveau.

Nicht nur in der Causa Iran wird sich Israel mit dem Einzug Joe Bidens ins Weiße Haus auf eine Kursänderung einstellen müssen; eine mögliche Rückkehr zum Abkommen deutete der Demokrat bereits lautstark an. Auch in der Palästinenser-Frage erwarten sich US-Politexperten künftig moderatere Positionen - vor allem, was den jüdischen Siedlungsbau anbelangt, der, befeuert durch Trumps und Pompeos Rückendeckung, einen bisher unbekannten Boom erlebte. Ändern werde sich am Status quo der Palästinenser jedoch wenig, so die Einschätzung. Als Indiz wird unter anderem gewertet, dass Biden, der seit Jahrzehnten enge Beziehungen zum politischen Establishment in Israel hegt und sich selbst jüngst als "Zionisten" bezeichnete, nach eigener Aussage nicht vorhat, die US-Botschaft wieder nach Tel Aviv zu verlegen.

Umgekehrt erwartet die Israel-Expertin Eytan Gilboa auch von Netanjahu in den nächsten Monaten keine provokativen Schritte, die das Weiße Haus vor den Kopf stoßen könnten. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte sie: "Thema Nummer eins ist für Israel in nächster Zukunft der Iran. Es sind nicht die Siedlungen, nicht der Friedensprozess. Alles, was die Zusammenarbeit mit den USA in der Iran-Frage unterbrechen könnte, wird weggeschoben." Selbst die Enttäuschung über das Ende der verheißungsvollen Trump-Ära.