Frankreich und Deutschland streben gemeinsam EU-Sanktionen gegen russische Staatsangehörige an, denen eine Verwicklung in die Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny vorgeworfen wird. Das geht aus einer Erklärung der Außenminister beider Länder, Jean-Yves LeDrian und Heiko Maas, hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Darin werfen beide der russischen Regierung mangelnden Aufklärungswillen vor.

"Russische Beteiligung"

Es gebe "keine andere plausible Erklärung für die Vergiftung von Herrn Nawalny als eine russische Beteiligung und Verantwortung", erklärten die Minister. "Frankreich und Deutschland werden die notwendigen Schlüsse aus diesen Tatsachen ziehen und ihren europäischen Partnern Vorschläge für zusätzliche Sanktionen unterbreiten."

Nawalny hatte zuvor die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung aufgefordert, hart gegen Kreml-nahe Oligarchen, Politiker und Unternehmen vorzugehen. "Sanktionen gegen das ganze Land funktionieren nicht. Das Wichtigste ist, Einreisesperren gegen Profiteure des Regimes zu erlassen und ihr Vermögen einzufrieren", sagte Nawalny der Zeitung "Bild".

"Vermögenswerte einfrieren"

"Sie veruntreuen Geld, stehlen Milliarden und am Wochenende fliegen sie nach Berlin oder London, kaufen teure Wohnungen und sitzen in Cafés." Der russische Oppositionspolitiker forderte einen Baustopp der Gaspipeline Nord Stream 2 sowie das Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote gegen Einzelpersonen wie den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker Waleri Gergijew.

Gergijew ist ein Unterstützer des autoritären russischen Präsidenten Wladimir Putin und warb für dessen Wiederwahl. "Wenn er das Regime so liebt und will, dass Russland nicht den europäischen Weg geht, dann muss man ihm sagen: Sie sind ein sehr talentierter Musiker, aber wir lassen sie nicht länger in die EU einreisen. Sie können Putins Regime in Russland genießen", erklärte Nawalny. Alternativ könne Gergijew seine öffentliche Unterstützung für Putin aufgeben.

Kritik an Gerhard Schröder

Er kritisierte auch den ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder für dessen Äußerungen, dass es noch keine "gesicherten Fakten" zum Giftanschlag gebe. Weiter sagte Nawalny: "Er ist immerhin der ehemalige Kanzler des mächtigsten Landes in Europa. Jetzt ist Schröder ein Laufbursche Putins." Gerhard Schröder ist Chef des Verwaltungsrats von Nord Stream 2 sowie Vorsitzender des Aktionärsausschusses von Nord Stream. Zusätzlich ist Schröder Aufsichtsratschef des staatlichen russischen Öl-Riesen Rosneft.

Nawalny selbst glaubt nicht an eine Aufklärung seines Falles durch Russland: Es gebe nicht mal den Versuch, es so aussehen zu lassen, als würde man ermitteln. "Bisher gibt es überhaupt keine Untersuchung in Russland", sagte der russische Politiker dem Blatt. Der Kremlkritiker war am 20. August auf einem russischen Inlandsflug zusammengebrochen und nach einer Notlandung zunächst im sibirischen Omsk behandelt worden. Am 22. August wurde er zur Behandlung in der Berliner Charite nach Deutschland ausgeflogen.

Nowitschok

Die deutsche Bundesregierung erklärte nach Tests in einem Speziallabor der Bundeswehr, Nawalny sei mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) bestätigte, dass Nawalny mit einem chemischen Nervengift der Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Zahlreiche Politiker hatten Russland aufgefordert, den Giftanschlag auf Nawalny aufzuklären. Bisher zeigte sich der Kreml abweisend.