Zum Hauptinhalt springen

Konjunktur ankurbeln und Klima schützen

Von Margit Schratzenstaller

Gastkommentare
Margit Schratzenstaller ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Der erweiterte EU-Haushalt kann - anders als befürchtet - bedeutende Beiträge zur Umsetzung des Green Deal leisten.


Nach Ausbruch der Corona-Krise wurden vielfach Befürchtungen geäußert, dass sie den Klimaschutz als eine Top-Priorität der Wirtschaftspolitik verdrängen könnte. Auf europäischer Ebene drohe insbesondere der europäische Green Deal, das wichtigste Vorhaben der neuen Europäischen Kommission, in Frage gestellt zu werden. Vor drei Wochen einigte sich der Europäische Rat nun auf Umfang und Ausgestaltung des Krisenbekämpfungsfonds "NextGenerationEU", der primär Investitionen in Digitalisierung und Ökologisierung fördern soll.

Zusammen mit dem neuen EU-Finanzrahmen stehen somit auf EU-Ebene für 2021 bis 2027 etwa 1,8 Billionen Euro an öffentlichen Geldern zur Verfügung. Anders als vorab befürchtet, kann dieser erweiterte EU-Haushalt bedeutende Beiträge zur Umsetzung des Green Deal leisten. Erstens wurde die Finanzvereinbarung eingebettet in das Vorhaben, bis zum Ende dieses Jahres ambitioniertere EU-Emissionsziele für 2030 zu setzen.

Zweitens wurde vereinbart, dass dreißig Prozent der Ausgaben in den Klimaschutz fließen: Derzeit gilt diese Mittelbindung für zwanzig Prozent des EU-Budgets, die Kommission hatte in ihrem Entwurf vom Mai 2018 25 Prozent vorgeschlagen. Für die Agrarpolitik soll diese Vorgabe sogar von derzeit knapp dreißig auf vierzig Prozent angehoben werden.

Zwar wurde der Kommissionsvorschlag, den Just Transition Fund mit insgesamt vierzig Milliarden Euro auszustatten, auf 17,5 Milliarden Euro. gekürzt: Das ist aber immer noch mehr als das Doppelte der im Green Deal veranschlagten 7,5 Milliarden Euro. Zudem werden erste grüne Elemente in das Eigenmittelsystem der EU implementiert: eine Abgabe, die auf nicht-rezyklierbarem Plastikabfall basiert, soll ab 2021 erhoben werden.

In der ersten Jahreshälfte 2021 soll die EU-Kommission einen Vorschlag für einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus sowie für eine Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems auf Luft- und Schifffahrt vorbereiten. Außerdem soll die Europäische Investitionsbank (EIB) zur EU-Klimabank werden.

Allerdings sollte an einigen Stellen dringend nachgeschärft werden. Erstens sollten alle Subventionen für umweltschädigende Aktivitäten, beispielsweise in fossile Infrastrukturen, vollständig ausgeschlossen werden. Zweitens braucht die Methodologie zur Identifikation von EU-Ausgaben, die dem Klimaschutz dienen, mehr Biss und sollte basierend auf der Kritik des Europäischen Rechnungshofes reformiert werden.

Drittens sollten grüne Eigenmittel stärker genutzt und rascher eingeführt werden - zusätzliche Optionen gäbe es genug, wie etwa Steuern auf den Flugverkehr. Viertens muss der erweiterte EU-Haushalt in eine effektive CO2-Bepreisung auf EU-Ebene eingebettet werden.

Damit die wirtschaftliche Erholung in der EU mit klimafreundlicheren Strukturen einhergeht, wird ein Preissignal benötigt, das die hohen sozialen Kosten von klimaschädigenden Investitionen und Konsum angemessen widerspiegelt. Dies erfordert jedenfalls eine Reform des Emissionshandelssystems sowie der Energiesteuer-Richtlinie.

So eine Wirtschaft:
Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und
Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.