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Pflegeheime verzeichneten 37 Prozent aller Covid-Toten

Politik

Rascher Rückgang der Fallzahlen im März verhinderte deutlich höhere Sterbezahlen.


Von den mittlerweile 719 an und mit Covid-19 gestorbenen Menschen in Österreich waren rund 37 Prozent Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung. Das hat eine Studie der "Gesundheit Österreich" im Auftrag des Gesundheitsministeriums ergeben, die am Mittwoch präsentiert wurde und deckt sich weitgehend mit Angaben von Anfang Juni, als von einem Drittel die Rede war. Insgesamt gab es in Österreich bis 22. Juni 923 Covid-Fälle in stationären Einrichtungen.

Dass das neuartige Coronavirus besonders betagte Personen mit oftmals vorliegenden Begleiterkrankungen stark gefährdet, ist seit Beginn der Pandemie bekannt. Deshalb waren bereits vor dem Lockdown in etlichen Bundesländern Besuchsverbote oder zumindest starke Einschränkungen für Pflegeeinrichtungen vorgenommen worden. Bisher sind 543 Personen über 75 Jahre an und mit Covid-19 gestorben. In der Gruppe von 0 bis 54 Jahre waren es bisher nur 15 Personen, obwohl es in dieser (großen) Altersgruppe doppelt so viele Infizierten gab.

Sehr große Unterschiede bei Letalität

Auch wenn die spezifische Bevölkerungsgruppe der stationär gepflegten Personen massiv betroffen war (und ist) und 37 Prozent aller an Covid-19 Verstorbenen ein hoher Wert ist, ist es in Österreich besser gelungen, diese Hochrisikogruppe zu schützen. Deutschland liegt mit 39 Prozent in einem ähnlichen Bereich. Die Letalität ist sehr unterschiedlich. In Österreich verstarben bis zum 22. Juni 0,4 Prozent aller Menschen in Alten- und Pflegeheimen an Covid-19. Das ist ein sehr niedriger Wert. In Schweden waren es 2,8 Prozent, in Belgien 4,9 Prozent und in Spanien sogar 6,1 Prozent.

Die vergleichsweise niedrige Inzidenz in den heimischen Pflegeheimen ist laut dem Public-Health-Experten Martin Sprenger vor allem auf die rasche Eindämmung der Epidemie zurückzuführen, wie es eben auch in Deutschland gelungen ist. Sprenger hatte, damals noch als Mitglied des Fachbeirats im Gesundheitsministerium, auf die Bedeutung der Pflegeheime hingewiesen und vor einem "zweiten Ischgl" in den Heimen gewarnt.

Wie er in seinem kürzlich erschienen Buch "Das Corona-Rätsel" schreibt, hatten ihn Web-Seminare mit Pflegekräften alarmiert. Das teilte er auch der Gesundheit Österreich schriftlich mit. "Wenn nur ein Bruchteil der Berichte aus diesen Gruppen zutrifft, haben wir ein Problem in der Langzeitpflege. Viele Pflegeheime haben keine funktionierenden Schleusensysteme, kaum Schutzausrüstung, keine Algorithmen, Leitlinien, Standards etc. Die Infektionsraten unter MitarbeiterInnen liegen teilweise bei 20 bis 50 Prozent", so Sprenger damals.

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Dieser Befund wird auch durch die nun vorliegende Studie bestätigt, wie Pflege-Koordinatorin Elisabeth Rappold von der "Gesundheit Österreich" berichtete. Demnach hätten 75 Prozent der Pflegekräfte bei einer Befragung angegeben, dass Einweghandschuhe und Desinfektionsmittel während der gesamten Pandemie vorhanden waren, dass aber die Schutzausrüstung über private Anbieter beschafft werden musste. Bei komplexeren Schutzausrüstungen wie FFP3-Masken gaben dann überhaupt nur 30 Prozent an, dass es genügend gab. "Wir dürfen nie mehr in so eine Situation kommen, dass es nicht ausreichend Schutzausrüstung gibt", sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober.

"Österreich hätte einen Supergau in den Alten- und Pflegeheimen mit unzähligen Erkrankungs- und Todesfällen erlebt, wenn es so wie Schweden keinen Lockdown durchgeführt hätte", analysiert Sprenger in seinem Buch. Der Schutz dieser Bevölkerungsgruppe ist generell sehr schwierig. "Nur der sehr rasche Rückgang an Infektionen hat uns gerettet. Wenn es rund um die Alten- und Pflegeheime wenig Infektionen gibt, ist es auch unwahrscheinlicher, dass das Virus Bewohner und Mitarbeiter infiziert", so Sprenger. (sir)