Zum Hauptinhalt springen

Kot und Schimmel in den Zellen

Von Petra Tempfer

Politik
Einige Haftanstalten gehörten generalsaniert, heißt es von der Volksanwaltschaft.
© adobe.stock/bibiphoto

Die Volksanwaltschaft kritisiert "desolaten Zustand" zahlreicher Haftanstalten.


Die Volksanwaltschaft übt scharfe Kritik am baulichen Zustand der österreichischen Gefängnisse. "Viele Hafträume waren in einem völlig desolaten Zustand", hält sie in ihrem nun veröffentlichten Jahresbericht 2019 fest. Wände waren mancherorts mit Kot beschmiert, Zellen mit Schimmel befallen.

Vor allem die Justizanstalten Wiener Neustadt, Klagenfurt, Sonnberg, Wien-Favoriten und Leoben sind beziehungsweise waren im Fokus der Kritik. Allen voran unterschreiten die Haftbedingungen in der Justizanstalt Wiener Neustadt "deutlich jeden erwartbaren Mindeststandard", heißt es in dem Bericht. Die Wände seien bekritzelt gewesen und mit Kot beschmiert. Die Sanitäranlagen waren nur notdürftig vom Haftraum getrennt und verfügten über keine Ventilation. "Manche Hafträume waren von Schimmel befallen, in einigen Zellen gab es keine ausreichende Beleuchtung."

Belag laut Justizministerium mittlerweile reduziert

Um eine menschenwürdige Unterbringung der Inhaftierten zu gewährleisten, erscheine eine Generalsanierung der Justizanstalt Wiener Neustadt unumgänglich. Zudem wurde empfohlen, sämtliche Matratzen, Decken und Pölster regelmäßig auf ihren hygienischen Zustand zu überprüfen.

In der Justizanstalt Wiener Neustadt gab es tatsächlich Missstände, wie von der Volksanwaltschaft festgestellt, heißt es dazu auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" vom Justizministerium. Im Anschluss der Besuche der Volksanwaltschaft in der Justizanstalt Wiener Neustadt habe man zur Abklärung im Auftrag der Generaldirektion Vernehmungen durchgeführt. Den Befragten zu Folge, waren die baulichen sowie die hygienischen Mängel bis hin zur damaligen interimistischen Leitungsebene bekannt, jedoch eine Sanierung aufgrund permanent anhaltenden Überbelags und fehlender personeller Ressourcen nicht möglich.

"Mittlerweile wurde der Belag der Justizanstalt Wiener Neustadt reduziert, um eine effiziente und rasche Sanierung bzw Reparatur der unzumutbaren Haftraumzustände gewährleisten zu können", so das Justizministerium. Zudem seien unmittelbar Abhilfe- und Reparaturmaßnahmen eingeleitet und umgesetzt worden. Die Situation in der Justizanstalt Wiener Neustadt habe sich dadurch "deutlich verbessert". Aktuell arbeite man Pläne für ein langfristiges Bauprogramm für die Justizanstalt Wiener Neustadt aus.

"Gesamte Bausubstanz massiv sanierungsbedürftig"

Ähnlich schlecht sei die Situation in der Justizanstalt Klagenfurt, heißt es von der Volksanwaltschaft weiter. Die gesamte Bausubstanz sei massiv sanierungsbedürftig, heißt es - was die Volksanwaltschaft seit Jahren kritisiere. Das Justizministerium habe versichert, dass Pläne für den Neubau der Justizanstalt Klagenfurt bestehen.

In der Justizanstalt Sonnberg ist es wiederum die Besucherzone, die laut Bericht nicht barrierefrei zugänglich ist. Langzeitbesuche seien aus Platzmangel ebenfalls nicht möglich. "Völlig unzureichend" sei auch das Raumangebot für Therapien. "Es stehen nur enge und kahle Räume zur Verfügung, die keine therapeutische Atmosphäre entfalten, darunter ein winziges Zimmer (das so genannte ,Polizeikammerl‘), das für polizeiliche Vernehmungen und Befragungen vorgesehen ist." Eine Machbarkeitsstudie für einen Neubau liege seit 2017 vor -passiert sei aus Budgetgründen bis heute nichts.

Sehr wohl habe man indes auf die Kritik der Volksanwaltschaft zur Justizanstalt Wien-Favoriten reagiert. Hier habe das Justizministerium aufgrund schimmeliger Duschräume und der beschädigten, verschmutzten Küche eine Generalsanierung veranlasst, die laut Bericht Ende Mai 2019 abgeschlossen worden ist.

Und auch in der Justizanstalt Leoben würden bereits sukzessive die Armaturen der Duschen getauscht, nachdem die Inhaftierten über häufige Ausfälle der Warmwasserversorgung geklagt hatten.

Die weit überwiegende Anzahl an Beschwerden habe sich nach sorgfältiger Prüfung als nicht berechtigt herausgestellt, so das Justizministerium. "Insgesamt handelt es sich bei den Gebäuden, in denen die Justizanstalten untergebracht sind, vor allem um alte Gebäute, wie alte Haftanstalten, Klöster oder Erziehungsheime. Naturgemäß nutzen sich diese alte Bausubstanzen, die sich seit über 100 Jahren in intensivem Gebrauch finden über die Länge der Nutzungsdauer ab", so das Ministerium.

Im Vorjahr gingen 16.600 Beschwerden ein

Insgesamt sind im Vorjahr rund 16.600 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft eingegangen. In 8000 Fällen wurden Prüfverfahren eingeleitet, in 4000 gab es keine Anhaltspunkte für einen Missstand, und in 4600 Fällen war die Volksanwaltschaft nicht zuständig, heißt es im aktuellen Bericht. Besonders interessant sind die Ergebnisse der präventiven Menschenrechtskontrollen. Bei 81 Prozent der Kontrollen von Einrichtungen, in denen Menschen angehalten werden (eben Justizanstalten, aber auch Alten- und Pflegeheime oder Psychiatrien), gab es Beanstandungen. Bei der Beobachtung von Polizeieinsätzen gab es diese hingegen nur in 33 Prozent der Fälle. Insgesamt wurden 505 meist unangekündigte Kontrollen durchgeführt.

Die derzeit zahlreichen Corona-Schutzmaßnahmen hätten bei der Volksanwaltschaft ebenfalls für ein erhöhtes Beschwerdeaufkommen gesorgt, so die Volksanwälte Werner Amon, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz. Obwohl sie während des Lockdowns nur eingeschränkt Beschwerden entgegennehmen durften, seien bisher 281 Fälle eingelangt. Man rechne mit einem "erheblichen Anstieg", sagte Amon.