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Maskenproduktion auf dem Vormarsch

Von Martina Madner

Politik

Textil-Unternehmen, soziale Betriebe als auch Do-it-yourself - das Nähen von Masken nimmt Fahrt auf.


Die Corona-Krise hat die Matratzenproduktion Elastica "mit voller Breitseite getroffen", sagt Geschäftsführer Philipp Kreutzer. Schließlich traf der Shutdown Mitte März sowohl den Möbelhandel als auch die Hotellerie, die Hauptabnehmer der 120.000 Matratzen, die der 1976 gegründete Betrieb in Kuchl in Salzburg jährlich produziert.

Alle 85 Mitarbeiter mussten in Kurzarbeit. "Wir wollten dagegen etwas unternehmen", sagt Kreutzer. Man stellte die Maschinen des Textilbereichs kurzerhand von 200 mal 90 auf 17 mal 14 Zentimeter um und produziert aus den gleichen Rohstoffen nun Mund- und Nasenschutz (MNS) - "um gleichzeitig was Gutes und was zum Erhalt der Arbeitsplätze zu tun".

Mittlerweile sind 15 Mitarbeiter wieder beschäftigt, die pro Tag 5000 bis 10.000 MNS-Masken herstellen. Der Absatz im Online-Shop von Elastica könnte nochmals steigen: Denn seit 6. April sind "Mechanische Schutzvorrichtungen" als Barriere gegen Tröpfcheninfektion im Lebensmittelhandel und Drogerien mit einer Verkaufsfläche über 400 Quadratmetern Pflicht; Rewe verrechnet einen Euro Selbstkostenbeitrag, was laut Kanzler Sebastian Kurz erlaubt ist, auch wenn man darauf "sehr genau" achten werde, dass "hier kein Gewinn gemacht wird".

Bei Spar, Hofer und Lidl bleiben sie weiterhin kostenlos, trotzdem kommen bereits immer mehr mit Masken, gekauften oder Marke Eigenbau, in die Supermärkte und es werden mehr werden: Ab 14. April braucht man MNS-Masken dann auch beim Einkauf in anderen zunehmend mehr geöffneten Geschäften.

Vorarlberger Textilprofis

In Vorarlberg hat sich gleich eine ganze Taskforce an regionalen Firmen zur Schutzmaskenproduktion zusammengeschlossen: Bei "VorProtect" dabei sind der Textilveredler Grabher Group, der Bandhersteller Bandex, Getzner Textil, die Stickerei Hämmerle, der Strumpfhersteller Wolford sowie mittlerweile 100 Änderungsschneiderinnen in Vorarlberg. Man sucht bereits weitere Profis im Schneidern in ganz Österreich, sagt Wisto-Mitarbeiterin Tina Blaser.

Die Wirtschafts-Standort GmbH, kurz Wisto, hat den Zusammenschluss koordiniert. Günter Grabher hatte die Idee dazu bereits in der letzten Februarwoche, also vor dem Shutdown, erzählt Johann Schallert, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Bandex. Nach einer gewissen, anfänglichen Skepsis, ob der Gedanke überhaupt auf Gegenliebe stoßen wird, ist klar: Das tut er. Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP) verkündete am Wochenende stolz: "Vorarlberg ist das einzige Land in Europa, wo noch die komplette Wertschöpfungskette vorhanden ist." Und Landeshauptmann Markus Wallner, ebenfalls ÖVP, lässt im Laufe dieser Woche 70.000 Masken an die niedergelassenen Ärzte und den Pflegebereich in Vorarlberg ausliefern. Weitere 200.000 habe das Land für Spitäler bestellt.

VorProtect produziert mittlerweile 15.000 Masken pro Tag. Die "Coronavirus Pandemie Atemschutz"-Zertifizierung habe man seit dem Wochenende. Im Sortiment sind Schnellmasken mit einer Filterleistung von 75 Prozent und medizinisch FFP2-zertifizierte mit einer von 95 Prozent. An den Prototypen für FFP3-Masken mit Atemventil tüftle im Moment noch das Unternehmen Tecnoplast, erzählt Blaser.

Schallert, dessen Unternehmen mit 35 Beschäftigten sonst Vorhangbänder und hochtechnische Produkte wie elektronisch leitfähige oder beheizbare Bänder produziert, sagt: "Die Bandproduktion wird einen deutlichen Beitrag leisten, um durch die Krise zu kommen." Das ist auch notwendig, denn: Die Auftragseingänge sind nach dem Shutdown auf zehn bis 30 Prozent gesunken. Alle Beschäftigten mussten erst in Kurzarbeit, die Hälfte in der Produktion ist mittlerweile zurück. "Da wurde sogar am Wochenende produziert", sagt Schallert. Zwar freut sich auch er, wenn die Firma zur Kernaufgabe zurückkehren kann, er sagt aber auch: "Es wäre schön, wenn die Maskenbänder künftig einen dauerhaften bescheidenen Anteil des Umsatzes ausmachen würden."

Soziales Masken-Produzieren

Aber nicht nur Textilprofis, auch 25 der insgesamt rund 200 sozialen Mitgliedsbetriebe von "arbeit plus" haben spontan eine "#maskforce" eingerichtet, wie "arbeit plus"-Geschäftsführerin Schifteh Hashemi erläutert - und kurzerhand auf die Produktion von NMS-Masken umgesattelt.

Diese sind zwar kein zertifizierter Schutz, genügen aber für das Einkaufengehen. "Wir sind ja auch außerhalb der Krise flexibel und anpassungsfähig im Produkte erfinden", sagt Hashemi. Nun müssen es die Betriebe sein. Schließlich geht es um insgesamt 10.000 Arbeitsplätze des Stammpersonals der sozialökonomischen Betriebe. Die meisten von ihnen können mit dem dritten Covid-Gesetz vom vergangenen Freitag in Kurzarbeit gehen, "da gibt es mangels Verkauf und Dienstleistungen Engpässe in der Liquidität", deshalb hofft Hashemi, dass noch ein Schutzschirm folgt. Auch die 30.000, die sonst für ein halbes Jahr jeweils zur Qualifizierung und Arbeitstrainings kommen, habe das AMS vorerst nur bis 13. April Vertragstreue versprochen.

"Neben dem gesellschaftlich sinnvollen Produkt geht es also auch darum, Arbeitsplätze im sozialen Bereich und für ohnehin schon Benachteiligte zu erhalten", sagt Hashemi.

Um die rund fünf Euro pro Maske unterstützt man also auch noch einen guten Zweck: bei "lebmit&bunttex" zum Beispiel Frauen in Gmünd beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, bei "stoff.werk.graz" ein Nähprojekt für langzeiterwerbsarbeitslose Frauen in Graz. Und mit Masken von Gabarage Upcycling Design, wo Langzeitarbeitslose normalerweise aus Gebrauchtem neue Kunstgegenstände, nun Mund-Nasen-Schutz herstellen, kann man sich per Aufdruck auf der Maske zudem als "Schmähtandler", "Gfrastsackl" oder "Sacklpicka" outen - oder auch "Patscherl", wenn das Selbernähen der Maske nicht klappt.