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Der Virus macht Trump so beliebt wie nie zuvor

Donald Trump hat in der Coronakrise nur bedingt Führungsqualitäten bewiesen. Trotzdem steigen seine Popularitätswerte. Warum ist das so?

Heute Redaktion
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"Es wird verschwinden, wie durch Magie", sagte US-Donald Trump mit Blick auf die Corona-Epidemie vor genau einem Monat. Doch mittlerweile hat die Coronawelle auch die USA erfasst, und wie: Die Vereinigten Staaten haben inzwischen mehr bekannte Coronavirus-Infektionen als jedes andere Land. In den USA sind bisher 85.840 Fälle von Corona-Infektionen bekannt, in China rund 81.800 und etwa 80.600 in Italien. Über 1.300 Menschen starben in den USA bislang wegen Covid-19.

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In den Augen vieler Kritiker hat der US-Präsident auf die weltumspannende Viruskrise nicht angemessen reagiert. Bis in den März twitterte er sie quasi weg, später wollte er für Versäumnisse bei Tests auf das Coronavirus "überhaupt keine Verantwortung" übernehmen.

"Wir machen einen hervorragenden Job bei der Bewältigung der Krise", sagt er immer wieder und versteigt sich alsdann in die nachweislich falsche Behauptung, in den USA werde so viel getestet wie in keinem anderen Land der Welt. Richtig stellen muss Trumps Aussagen oft Anthony Fauci, Chef-Virologe der USA.

Es liegt am "rally around the flag"-Effekt

Und doch: Eine Mehrheit der Amerikaner befürwortet den Umgang von US-Präsident Donald Trump mit der Coronavirus-Krise. Aus einer dieser Woche veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinsitut Gallup finden 49 Prozent der Befragten, dass Trump einen guten Job mache. Andere Institutionen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Was aus europäischer Sicht befremdlich wirken mag, erklärt US-Kenner Josef Braml* mit dem "rally around the flag"-Effekt, einer patriotischen Sammelbewegung um den Präsidenten und Schutzpatron angesichts der nationalen Gesundheitsbedrohung. Noch jeder US-Präsident der vergangenen sieben Jahrzehnte hat von solchen Ereignissen profitiert.

Dieser Effekt könnte Trump im Wahljahr sogar nützlich sein, sagt Braml. "Tatsächlich ist es beeindruckend, mit welcher Geschwindigkeit mehrere Hilfsprogramme, ja sogar ein umfassendes, zwei Billionen Dollar schweres Maßnahmenpaket durch den Kongress gebracht werden konnte", so der US-Experte.

Stimmungsumschwung nicht ausgeschlossen

So seien angesichts der nationalen Bedrohung und der verunsicherten, patriotisch aufgeladenen Stimmung Kritik und Kontrolle der Legislative nicht zu erwarten. Aber: "Es besteht die Gefahr, dass Trump die Krise auch in anderen Politikbereichen nutzt, weil sein autoritäres Gebaren von noch mehr Amerikanern gutgeheißen und für rechtens erachtet werden könnte."

Braml gibt aber auch zu Bedenken: "Eine Verschärfung der Corona-Epidemie sowie der Unsicherheiten der US-Wirtschaft und nicht zuletzt auch Trumps unprofessionelles Krisenmanagement könnten einen Stimmungsumschwung bewirken, die Experimentierlaune der Amerikaner dämpfen und dem steteren Joe Biden in die Karten spielen."

Biden kritisiert von zuhause aus

Der demokratische Präsidentschaftsherausforderer Joe Biden steht laut Braml für Beständigkeit und Zuverlässigkeit – "Qualitäten, die ihm gegen den sprunghaften und unberechenbaren Donald Trump im Hauptwahlkampf zum Wahlsieg verhelfen könnten."

Biden, der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama, kritisiert das Krisenmanagement des US-Präsidenten immer wieder auf das Schärfste – von zuhause aus. Er hat wegen der Viruskrise alle Wahlkampfveranstaltungen abgesagt, auch die Vorwahlen der Demokraten pausieren derzeit.

"Das ist also der beste Mann der Demokraten?"

In einem Live-Interview mit CNN aus seinem Wohnzimmer machte er letzte Woche jedoch eine sehr unglückliche Figur: Er hustete mehrfach, musste sich vom Moderator ermahnen lassen, dass man in diesen Zeiten doch in den Ellenbogen husten solle und wirkte fahrig und unkonzentriert.

Seither ergießen sich Spott und Häme über den 77-Jährigen. "Das ist also der beste Mann der Demokraten?", twitterte Trump seinen 75 Millionen Followern.

Ob Trump seinen triumphierenden Ton bis zur Präsidentschaftswahl im November beibehalten kann, bleibt abzuwarten. Den Ausschlag in dieser noch nie dagewesenen Krise dürften steigende Todeszahlen und die Wirtschaftsentwicklung geben.

* Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches "Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit". Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog "usaexperte.com".